Bedarfsanalyse zeigt: die Istanbul-Konvention ist noch lange nicht umgesetzt
PRESSEMITTEILUNG
Die heute veröffentlichte Bedarfsanalyse des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung bestätigt: Noch immer finden nicht alle gewaltbetroffenen Frauen Schutz und Hilfe in Schleswig-Holstein.
Häusliche Gewalt, Sexualisierte Gewalt und Stalking – Frauen die das erleben, sollen sich auf Unterstützung verlassen können. So steht es im Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Häuslicher Gewalt[1], das vor drei Jahren in Deutschland in Kraft trat. Schleswig-Holstein ist bei der Umsetzung seiner Verpflichtungen aus der sogenannten Istanbul-Konvention auf einem guten Weg, aber noch weit entfernt vom Ziel. Das bestätigte die heute veröffentlichte Bedarfsanalyse der Landesregierung. Die Frauenfacheinrichtungen und KIK-Netzwerke haben die Bedarfserhebung, mit der das niedersächsische Institut Zoom beauftragt war, maßgeblich mit Daten, Informationen und Expertise unterstützt.
Die Not betroffener Frauen und ihrer Kinder erleben Schleswig-Holsteins Frauenfacheinrichtungen täglich. Sie wissen, wie wichtig es für die Betroffenen ist, zeitnah in Sicherheit zu gelangen und professionelle Unterstützung zu bekommen.
Immer wieder müssen schutzsuchende Frauen von überfüllten Frauenhäusern abgewiesen werden. Ludmila Sitnikowa sagt: „Dass der Bedarf nach wie vor hoch ist, erleben wir jeden Tag vor Ort. Viele Frauen und ihre Kinder können an manchen Tagen weder Schutz noch ausreichend Unterstützung bekommen, da alle Einrichtungen voll belegt sind. Landesweit werden mehr als doppelt so viele Frauenhausplätze benötigt wie sie derzeit vorhanden sind. Femizide sind keine Einzelfälle, deutschlandweit wird jeden 3. Tag eine Frau getötet, auch in Schleswig-Holstein finden Femizide statt. Frauenhäuser sind Schutzeinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen und auch für deren Kinder.“
Auch Beratungstermine in Fachberatungsstellen können nicht in ausreichendem Maß angeboten werden. Um flächendeckende Prävention zu betreiben und Unterstützungsangebote breiter bekannt zu machen, fehlt es fast überall an Personal.
Kerstin Hansen ergänzt: „Wir freuen uns, dass dieser Mangel in der Bedarfsanalyse deutlich wird und wir jetzt auf wissenschaftlicher Grundlage an einem Strang ziehen können. Insbesondere die Präventionsarbeit in Schulen und die Fortbildung von Fachkräften sind ein notwendiger Baustein, um geschlechtsspezifischer Gewalt präventiv zu begegnen und eine schnelle Gewaltschutzintervention zu implementieren.“
Andrea Gonschior schlägt vor: „Wir möchten jetzt die Chance nutzen, eine langfristige Strategie für den Ausbau der Interventionskette zu erarbeiten, neue Ansätze und Konzepte einzubringen und die Prävention zu stärken.“
Und Katharina Wulf kündigt an: „In Schleswig-Holstein haben wir auf dem Weg hin zu einer bedarfsgerechten Ausstattung der Frauenfacheinrichtungen schon viel erreicht. Wie ernst es der Landesregierung mit der Verhütung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt ist, wird sich auch in den kommenden Haushalten deutlich zeigen müssen.“
[1] Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention, ist seit Februar 2018 geltendes Recht in Deutschland. Sie verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, jegliche Form der Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verhüten und zu bekämpfen und eine tatsächliche Gleichstellung durchzusetzen.
Kontaktdaten:
Andrea Gonschior
LAG Trägergebundene Frauenhäuser
Frauenhaus Rendsburg
Tel: 04331-22726
andrea.gonschior@bruecke.org
Kerstin Hansen
KIK Dithmarschen
Tel: 0172-6041059
kik-dithmarschen@web.de
Ludmila Sitnikowa
LAG Kostelle der Autonomen Frauenhäuser Schleswig-Holstein
Frauenhaus Schwarzenbek
Tel: 04151-7578
Katharina Wulf
Landesverband Frauenberatung Schleswig-Holstein e.V. (LFSH)
Tel: 0431-9 96 96 36
info@lfsh.de