Feminist*innen kennen den Unterschied zwischen Links und Rechts
Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention hat die Bundesrepublik Gleichstellung als Voraussetzung für Gewaltschutz anerkannt. Antifeministischen Koalitionen, wie sie sich in Thüringen zeigen, muss jetzt eine klare Absage erteilt werden.
Mit den Entwicklungen zur Ministerpräsident*innenwahl in Thüringen sowie der sich daran anschließenden Debatte bestätigt sich, wovor etliche Sozialwissenschaftler*innen seit Jahren gewarnt haben: Wenn die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen infrage gestellt wird, wird unsere demokratische Basis ausgehöhlt. „Und auch aus feministischer Perspektive sind die Ansichten der AfD ein Angriff auf die Demokratie und unsere vertraglichen Verpflichtungen,“ erklärt Katharina Wulf, Geschäftsführerin des LFSH. Die AfD positioniere sich bundesweit gegen jede Gleichstellungsarbeit und ignoriere damit die Verpflichtungen, die Deutschland mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention[1] eingegangen sei. Dass diese Ansichten auch im konservativen Lager auf fruchtbaren Boden fallen, zeige der kurz vor der Wahl entstandene Gesetzentwurf der FDP zur Abschaffung des Paritätsgesetzes in Thüringen. Das Paritätsgesetzt war erst am 01.01.2020 in Kraft getreten, um Nachteile von Frauen gegenüber Männern bei Landtagswahlen auszugleichen. Eine Mehrheit für die Abschaffung wäre nur gemeinsam mit der AfD erreicht worden. „Spekulationen darüber, ob die geplante Abschaffung des Paritätsgesetzes der Preis für die Unterstützung Kemmerichs sein sollte, verbieten sich an dieser Stelle. Deutlich wird aber, dass bereits vor der Ministerpräsident*innenwahl am 05.02.2020 erste gemeinsame Gesetzesvorhaben zwischen AfD, CDU und FDP geplant waren“, sagt Katharina Wulf weiter.
Auch im Bereich Gewaltschutz seien die Ansichten der AfD strikt abzulehnen, so Katharina Wulf weiter. Das Recht aller Mädchen und Frauen auf Selbstbestimmung und Gewaltfreiheit setzt voraus, dass jeder Mensch unabhängig von Herkunft, Religionszugehörigkeit, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, Alter, Behinderung und Gesundheitszustand gleichwertig ist. Die AfD hingegen vertritt Vorstellungen der Ungleichwertigkeit von Menschen. Sie wendet sich gegen jede sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Sie diffamiert Missbrauchsprävention und Gleichstellungsarbeit. Sie instrumentalisiert sexualisierte Gewalt, homo- und transfeindliche Gewalt sowie Femizide für ihre rassistischen Zwecke. „Die AfD hält Mythen von Gewalt am Leben, die absolut schädlich für Betroffene und das ganze Unterstützungssystem sind“, betont Katharina Wulf.
Der Nährboden für die jetzt sehr deutlich gewordene Orientierungslosigkeit der liberal-konservativen Parteien ist unter anderem die immer wiederkehrende Gleichsetzung von Linkspartei und zivilgesellschaftlichen Organisationen mit rechten und extrem rechten Kräften. Prof. Dr. Melanie Groß, Vorstandsfrau des LFSH, sagt dazu: „Diese Gleichsetzung von Linken mit der AfD auf der Basis der hochumstrittenen sogenannten Hufeisentheorie ist nicht nur sachlich falsch, sondern außerdem für die politische Zukunft dieses Landes, in dem die ehemaligen Volksparteien immer schwächer werden, problematisch bis gefährlich.“ „Mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention hat sich die Bundesrepublik und mit ihr alle Bundesländer zum Feminismus und Gewaltschutz bekannt. Ich möchte von allen demokratischen Parteien jetzt schlicht sehr deutlich hören, dass sie zu ihrem Wort stehen und dem aufkommenden Antifeminismus und Faschismus etwas entgegenzusetzen haben,“ fordert Melanie Groß abschließend.
[1] Das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Häuslicher Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention ist seit Februar 2018 geltendes Recht in Deutschland. Inhalt ist die Klarstellung, dass ohne Gleichstellungsarbeit alle Bemühungen um Gewaltschutz ins Leere laufen.