Isolation ja, aber bitte in Sicherheit!
Sowohl Frauenhäuser als auch Frauenfachberatungsstellen wissen: Die Corona-Pandemie trifft von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder in besonderem Maße. Umso dramatischer ist es, dass es momentan in ganz Schleswig-Holstein und Hamburg keinen einzigen freien Frauenhausplatz gibt und die Frauenberatungsstellen auf persönliche Beratungen verzichten sollen. Eine Kostenübernahme für leerstehende Hotelzimmer und Ferienwohnungen könnte jetzt Abhilfe schaffen.
„Wo wären Sie lieber in Quarantäne: in Sicherheit im Frauenhaus oder zu Hause mit einem gewalttätigen Partner?“, fragt Katharina Wulf, Geschäftsführung des Landesverbands Frauenberatung Schleswig-Holstein (LFSH). „In der jetzigen Situation brauchen wir dringend räumliche Ausweichmöglichkeiten, die wir akut gewaltbetroffenen Frauen und Kindern anbieten können.“ Eine dieser Möglichkeiten sieht der LFSH in den frei gewordenen Ferienwohnungen und Hotelzimmern. Diese könnten eine kurzfristige Übergangsmöglichkeit für Frauen sein, die nicht hoch gefährdet sind und gestalkt werden. Selbstverständlich ersetze dieser Vorschlag nicht die generelle Forderung nach mehr Frauenhausplätzen, betonte Wulf weiter, sei aber jetzt eine Win-Win-Situation: „Nie ist es so schwer für die Frauen wie jetzt, in der häuslichen Situation zu verbleiben. Und nie ist es so einfach wie jetzt, ihnen Alternativen anzubieten. Da Kitas und Schulen ohnehin geschlossen sind, ist der Verbleib am Wohnort weniger erforderlich. Und die Touristikbranche hätte ebenfalls Vorteile."
Für viele Frauen ist das Zuhause ein gefährlicher Ort, an dem sie Gewalt durch ihre Partner ausgesetzt sind. So verzeichnen Frauenfacheinrichtungen beispielsweise jedes Jahr in der freien Zeit rund um Weihnachten und den Jahreswechsel steigende Anfragen. Diese Gefahr wird durch die zunehmenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Zuge der Pandemie und vor allem die allgemeine Unsicherheit noch erhöht. Denn soziale Isolation und Druck von außen fördern die Eskalation von Gewalt gegen Frauen und Kinder.
„Die Situation ist für alle neu. Viele sind angespannt, weil sie zum Beispiel um ihre Jobs bangen und nicht wissen, wie lange die Einschränkungen anhalten werden. Andere sind gestresst, weil sie Angst haben, in Zukunft nicht versorgt zu sein. Solche Ängste befördern die allgemeine Anspannung vor allem zu Hause“, erklärte Andrea Gonschior aus dem Frauenhaus Rendsburg. „In Familien, in denen Gewalt ohnehin an der Tagesordnung ist, erwarten wir weitere Eskalationen.“ Ebenso führe die zunehmende Isolation von Freund*innen und dem weiteren sozialen Umfeld dazu, dass Frauen der Zugang zu hilfreichen Kontakten erschwert werde, berichtet Gonschior. In ständiger Anwesenheit des Täters sei es schwer, zu telefonieren oder anderweitig Hilfe zu kontaktieren. Wenn dann noch Veranstaltungen wie Fußballspiele ausfallen und Kneipen geschlossen sind, finde Konsum von Alkohol und anderen Drogen vermehrt zu Hause statt. Auch das sei ein Faktor, der die Eskalation befördern könne.
Eine weitere Problematik tue sich im Zusammenhang mit dem Gewaltschutzgesetz auf: Wohin mit Tätern, die der Wohnung verwiesen werden? Die Polizei sei angesprochen, hier nach Lösungen zu suchen. Es müsse sichergestellt werden, dass das Gewaltschutzgesetz beispielsweise auch bei Quarantäne-Fällen flächendeckend Anwendung findet. „Daher fordern wir die zuständigen Ministerien auf, die Situation gewaltbetroffener Frauen und Kinder bei allen einschränkenden Maßnahmen mitzudenken,“ so Gonschior weiter.
Betroffene Frauen bekommen auch weiterhin in den Schleswig-Holsteinischen Frauenfachberatungsstellen Unterstützung, momentan durch telefonische Beratung. Darüber hinaus ist das Bundesweite Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen täglich rund um die Uhr unter 08000 116 016 erreichbar. Die Beratung ist kostenlos und kann in 17 Sprachen erfolgen.