„Mein Feminismus ist intersektional, queer und antifaschistisch“ - Drei Fragen an Prof. Dr. Melanie Groß

Seit März 2019 hat der LFSH eine neue Vorstandsfrau: Prof. Dr. Melanie Groß. Sie ist Professorin für Erziehung und Bildung an der Fachhochschule Kiel. Im Kurzinterview erzählt sie von ihrem Zugang zu feministischen Themen und ihrer Perspektive auf die Zukunft der Frauenrechtsarbeit.

Melanie, welchen Bezug hast Du zu feministischen Themen?

Feministische und queer-feministische Themen prägen mich und mein politisches Selbstverständnis bereits seit meiner Jugend. Während und nach meinem Studium habe ich in der feministischen Mädchenarbeit gearbeitet und war in diversen feministischen und queer-feministischen Gruppen in Bielefeld und später in Hamburg aktiv. Die Auseinandersetzung mit der ungleichen Verteilung von Chancen und Ressourcen, mit den unterschiedlichen Normen, Bewertungsmaßstäben, Möglichkeitsräumen sowie stereotypen Bildern, die mit den Kategorien Geschlecht und Sexualität verbunden sind, begleiten mich in meinen politischen und wissenschaftlichen Arbeiten bis heute. Die weite Verbreitung von Diskriminierungen und Gewalt gegen die sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung von Mädchen und Frauen, gegen Homosexuelle, trans*- und inter*geschlechtliche Personen sind Ausdruck einer Gesellschaft, in der Geschlechterdifferenzen und Geschlechterdualismus gewaltvoll durchgesetzt werden.

Welche Themen sind Dir besonders wichtig?

Ein besonderes Anliegen in meiner beruflichen Tätigkeit an der FH Kiel ist mir der Austausch mit Sozialer Arbeit sowie die Weiterentwicklung von Theorie, Forschung, Praxis und Politik. Als Wissenschaftlerin und Lehrende in Hochschulen liegt meine Verantwortung meines Erachtens auch in dem Aufzeigen von sozialen Ungleichheiten, Diskriminierungen und Gewaltverhältnissen. Es hat mir nie gereicht, mich nur in theoretisch-abstrakte Debatten zu vertiefen, sondern stattdessen ist es mir immer wichtig gewesen, auf der Grundlage wissenschaftlichen Wissens auch gestaltende Schlussfolgerungen zu ziehen und Handlungsoptionen zu suchen, um die Weiterentwicklung und den Erhalt einer demokratischen und an Gleichheit orientierten Gesellschaft mit zu unterstützen.

Die Alltäglichkeit der Gewalt gegen Mädchen und Frauen aber auch gegen Trans*- und Inter*personen beschäftigt, bedrückt und empört mich gleichermaßen. Ich möchte nicht akzeptieren, dass das Geschlechterverhältnis in unserer Gesellschaft immer noch sehr häufig ein Gewaltverhältnis und ein Ungleichheitsverhältnis ist. Es muss im Interesse einer an Demokratie, Gleichheit und Diversität orientierten Gesellschaft sein, dass Gewaltverhältnisse beendet werden und dass Betroffene von diesen Gewaltverhältnissen eine angemessene Unterstützung erfahren.

Welche Herausforderungen siehst Du für die Frauenrechtsarbeit in den nächsten 10 Jahren?

Frauenrechtsarbeit wird sich in den nächsten zehn Jahren sicher zwei zentrale Fragen stellen müssen und entsprechende Herausforderungen zu bewältigen haben: Zum einen sehe ich das für die Neugestaltung der Gleichstellungsarbeit auf der Grundlage der gesellschaftlichen Veränderungen in Bezug auf geschlechtliche Vielfalt. War es jahrzehntelang für Frauenrechtlerinnen selbstverständlich, dass sie die Interessen und Bedarfe von cis-geschlechtlichen Frauen im Blick haben, müssen wir heute anerkennen, dass Ungleichheit auf der Basis von Geschlecht eben auch Transpersonen und Intergeschlechtliche Menschen treffen kann. Hier sollte meines Erachtens eine konzeptionelle Weiterentwicklung und ein Ausbau der Beratungslandschaft erfolgen, um den spezifischen Bedarfen gerecht werden zu können. Zum anderen sehe ich die dringende Notwendigkeit, sich immer wieder sehr eindeutig auch von Vereinnahmungsversuchen rechter und rechtsextremer Personen und Gruppen abzugrenzen und hier keine Instrumentalisierung zuzulassen. Mein Feminismus ist intersektional, queer und antifaschistisch

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